Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie jemanden dazu bringen können, positive Veränderungen in seiner Arbeit und in seinem Leben vorzunehmen, ohne zu überwältigen, zu manipulieren oder abzuschrecken?
Wie können wir durch wertschätzende Kommunikation und wertfreie Kommunikation andere dazu bringen, ihre Befindlichkeiten hinter sich zu lassen und an gemeinsamen Lösungen und Zielen zu arbeiten?
Und wie können wir die motivierende Gesprächsführung einsetzen, um nachhaltig positive Veränderungen bei unseren Mitmenschen zu bewirken?
In meinen Führungskräftetrainings und Kommunikationstrainings schildern mir meine Klienten immer wieder die gleichen Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag:
- Mangelnde Motivation von Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen
- Schlechte Kommunikation untereinander und in der Hierarchie
- Widerstand gegen Veränderungen (das haben wir schon immer so gemacht)
- Ständige Eskalation und Konfliktsituationen mit bestimmten „Charakteren“
- Ignoranz von Führungskräften, innere Kündigung von Kolleg*innen
- Nicht gehört und gesehen werden in Meetings und Projektteams
Eine Antwort auf diese Herausforderung ist die Kunst der Motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing, MI), eine Methode, die ich in meiner eigenen Führungserfahrung in der Unternehmenssanierung und in vielen anderen Unternehmen anwenden konnte. Sie ist der Inbegriff echter Wertschätzung.
Sie wurde in den 1980er Jahren von den Psychologen William Miller und Stephen Rollnick entwickelt und zielt darauf ab, die intrinsische Motivation von Menschen, also das, was langfristig wirklich zählt, zu stärken und Menschen dazu zu bringen, ihr Verhalten aus eigenem Antrieb zu ändern.
Andere dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern?
Das klingt zunächst nach Manipulation, ist es aber nicht, denn im Kern funktioniert diese Technik über Fragen, Wertschätzung und Selbstreflexion. Diese Methode ermöglicht es, die Integrität in der Arbeit zu wahren und gleichzeitig positive Veränderungen zu bewirken.
Wir sagen niemandem, dass er / sie sich ändern soll, sondern wir betonen und verstärken die Anteile der Ambivalenz (gleichzeitige Existenz von widersprüchlichen Gefühlen, Gedanken oder Einstellungen gegenüber einem Objekt, einer Person oder einer Situation), die für eine positive Veränderung bereit sind.
Konkret bedeutet das, dass wir unseren Mitarbeiter*innen und Mitmenschen dabei helfen, die besten Aspekte und Werte, die bereits in ihnen stecken, zu verstärken. Voraussetzung dafür ist, dass wir in jedem Gespräch die persönliche und die sachliche Ebene berücksichtigen und die Grundlagen der Gesprächsführung beherrschen, um das volle Potenzial eines Austausches zu nutzen.
Dadurch stärken wir die Selbstwirksamkeit unserer Gesprächspartner*innen, anstatt ihnen unseren Willen aufzudrängen (was langfristig sowieso nicht funktioniert).
Was macht die motivierende Gesprächsführung so attraktiv?
Neben ihrer Einfachheit und Effektivität ist es die Tatsache, dass sie echte Motivation für Veränderungen fördert und unterstützt. Sie hilft Menschen, ihre eigenen Ziele zu klären, Lösungen zu entwickeln und ein starkes Engagement für die Umsetzung ihrer Pläne zu entwickeln. Gleichzeitig fördert es die Mitarbeiterzufriedenheit.
Diese Methode ist nicht nur theoretisch fundiert, sondern hat sich auch in der Praxis als äußerst wirksam erwiesen. MI ist besonders wirksam bei authentischer Führung, bei der Motivation von Mitarbeitern und bei Konfliktgesprächen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Sie hilft uns, authentisch zu kommunizieren, ohne das Gesprächsziel aus den Augen zu verlieren.
Heute setze ich diese Kommunikationstechnik gerne in meinen Einzelcoachings, Führungskräftetrainings, Kommunikationstrainings und Verkaufstrainings ein, da sie für meine Klient*innen, seien es Geschäftsführer*innen, Manager*innen, Freiberufler*innen oder Verkäufer*innen, oft im Mittelpunkt einer Verhaltensänderung steht, um die persönlichen und unternehmerischen Ziele zu erreichen.
Lassen Sie uns nun tiefer in die Definition einsteigen. Was genau ist motivierende Gesprächsführung und woher kommt das Kommunikationskonzept?
Was ist motivierende Gesprächsführung?
Motivierende Gesprächsführung, auch Motivational Interviewing oder kurz MI genannt, ist eine klientenzentrierte Beratungsmethode, die darauf abzielt, die intrinsische Motivation einer Person zur Verhaltensänderung zu stärken. Motivierende Gesprächsführung ist ein kooperativer, zielorientierter Kommunikationsstil, bei dem die Sprache der Veränderung im Vordergrund steht.
Doch, was meinen wir mit „Motivational Interviewing“ wirklich?
Motivational meint nicht, dass Motivation eingetrichtert wird, sondern „die Motivation betreffend“
Klaus Rauscher
Interviewing meint nicht, ein „Verhör“ zu veranstalten, sondern im Sinne von Interview – ein gemeinsames Betrachten eines Sachverhaltes
Klaus Rauscher
Der Ursprung dieser Methode liegt Bereich der psychotherapeutischen Arbeit, insbesondere bei dem Psychologen Carl Rogers, der die klientenzentrierte Gesprächsführung entwickelte.
Die klientenzentrierte Gesprächsführung wurde von den Psychologen William Miller und Stephen Rollnick in den 1980er Jahren zur motivierenden Gesprächsführung weiterentwickelt. Zwei Zitate aus dem Standardwerk von Miller & Rollnick (2013) fassen diese Gesprächstechnik zusammen
Interviewing meint nicht, ein „Verhör“ zu Dieser Stil ist daraufhin konzipiert, die persönliche Motivation für und die Selbstverpflichtung auf ein spezifisches Ziel zu stärken, indem er die Motive eines Menschen, sich zu ändern, in einer Atmosphäre von Akzeptanz und Mitgefühl herausarbeitet und erkundet. gemeinsames Betrachten eines Sachverhaltes
(Miller & Rollnick 2013)
Bei MI geht es darum, abzurufen und herauszuarbeiten was bereits vorhanden ist, und nicht darum, Fehlendes hinzuzufügen.
(Miller & Rollnick 2013)
Quelle: Motivierende Gesprächsführung William R. Miller, Stephen Rollnick
Lamberturs Verlag, 3. Auflage (2015), ISBN – 13 : 978-3784125459
Der Ansatz hat sich zunächst in der Suchtberatung, dann im Gesundheitscoaching und in der Mitarbeiterführung bewährt. Heute ist die Methode in Unternehmen weit verbreitet und wird gerne in der
- Organisationsentwicklung,
- Gruppenmoderation,
- Mitarbeiterführung,
- Führungskräfteentwicklung,
- Mediation und
- Personalentwicklung
eingesetzt.
Sie gilt als wichtiger Baustein jeder Führungskompetenz und ist ein Führungsinstrument, das jede gute Führungskraft beherrschen sollte.
Im Hinblick auf Verhaltensänderungen ist es eines der besten Kommunikationswerkzeuge, das nicht nur für jede Führungskraft bei der Mitarbeiterführung von großem Nutzen ist, sondern nach meiner Erfahrung auch im Privatleben Gold wert ist, um Dissonanzen in Beziehungen abzubauen und positive Veränderungen herbeizuführen.
Die Haltung und der Spirit von MI
Mindestens genauso wichtig wie das Erlernen der Technik ist die innere Haltung, die wir vor einem Gespräch einnehmen. Meiner Meinung nach ist sie sogar wichtiger als die Technik selbst!
Dieser „Spirit“ setzt sich aus folgenden vier Komponenten zusammen:
- Partnerschaft – Collaboration
- Akzeptanz – Acceptance
- Eigenmotivation – Evocation
- Mitgefühl – Compassion
Im Folgenden werden diese vier Haltungen kurz erläutert.
Gemeinsam auf Augenhöhe: Partnerschaft / Collaboration
Jeder Mensch möchte auf Augenhöhe und als gleichwertiger Partner behandelt werden. Rangordnungen und Machtgehabe haben in der MI nichts zu suchen und führen meiner Erfahrung nach sofort zu Abschottung, Konfrontation oder Lethargie (innere Kündigung).
Jeder bringt seine eigene Expertise ein – gerade wenn es um persönliche Dinge geht. Bitte denken Sie immer daran, dass jeder Mensch aus seiner Sicht Recht hat und wir die Aufgabe haben, dies anzuerkennen, um einen Change Talk überhaupt erst zu ermöglichen (dazu später mehr).
Jeden Menschen wertschätzen: Akzeptanz / Acceptance
Im Führungskontext und in jedem Führungsgespräch trennen wir den Menschen von seinem Verhalten. Jeder Mensch verdient Wertschätzung und Anerkennung. Wir unterstützen das psychologische Grundbedürfnis nach Autonomie und begegnen diesem Bedürfnis mit Empathie und Akzeptanz. Das heißt, auch wenn wir das Verhalten nicht gut finden oder wertschätzen, wird der Mensch an sich, in seiner Haltung, positiv wahrgenommen und wertgeschätzt.
Die Kraft von innen: Eigenmotivation / Evocation
Wer etwas aus Eigenmotivation tut, kann auf ungeahnte Ressourcen, Kreativität und Potenziale zurückgreifen. Die intrinsische Motivation und die eigenen Ressourcen werden im Gespräch hervorgehoben und verstärkt, das Negative bleibt außen vor.
Aus einem „Ich muss diese Aufgabe / dieses Projekt machen“ wird ein „Ich will diese Aufgabe / dieses Projekt machen“. Wenn uns das gelingt, werden wir vom Manager zum Leader. Evokation und Planung bilden dann das Grundgerüst für den zukünftigen Erfolg.
Mit Herz und Verstand: Mitgefühl / Compassion
Wer sich wohl und sicher fühlt (Psychologische Sicherheit), kann sich öffnen und ist bereit für Veränderung. Es geht also darum, das Wohlbefinden des Gegenübers zu steigern, sich in seine Bedürfnisse einzufühlen und diese in den Mittelpunkt des Gesprächs zu stellen.
Was sind die Kernprinzipien der motivierenden Gesprächsführung
Die Grundprinzipien der motivierenden Gesprächsführung basieren auf Empathie, Akzeptanz und Wertschätzung. Statt Druck auszuüben oder zu konfrontieren, ermutigt diese Kommunikationsmethode, die eigenen Gründe für eine Veränderung zu erforschen und zu artikulieren.
Durch aktives Zuhören, offene Fragen und reflektierendes Feedback – die sogenannte OARS-Technik – schaffen wir eine unterstützende Atmosphäre, in der Ambivalenz und Widerstand als normale Bestandteile des Veränderungsprozesses anerkannt werden.
Wer diese Kommunikationsmethode anwendet, rechnet also nicht nur mit Widerstand und Ambivalenzen wie Bedenken, Ängsten und Abwehrhaltung, sondern antizipiert sie und begrüßt sie im besten Fall sogar.
Statt bei Widerständen wie „Das will ich nicht“ sofort auf Konfrontation und Druck zu setzen, wird das „Nein“ zunächst durch gezielte Fragen empathisch erkundet. Die Gesprächsmethode erscheint auf den ersten Blick zeitaufwendig, ist aber wesentlich effektiver, da sie nachhaltig positive Veränderungen schafft, die z.B. vom Mitarbeiter selbst getragen werden.
Ein zentrales Konzept der motivierenden Gesprächsführung ist der „Change Talk“ – Äußerungen des Gesprächspartners, die eine Bereitschaft, Fähigkeit oder ein Commitment zur Veränderung signalisieren. Durch das gezielte Hervorrufen und Verstärken dieser Äußerungen wird die Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit gefördert und der Mitarbeiter auf seinem Weg zur Verhaltensänderung aktiv unterstützt.
Mehr zum „Change Talk“ erfährst du im Abschnitt „Schritte und Phasen der motivierenden Gesprächsführung“
Unterschiede zwischen motivierender Gesprächsführung und traditionellen Ansätzen
Während traditionelle Methoden oft auf Autorität, Überzeugung (Manipulation) und Druck setzen, was im Grunde das Gegenteil von Veränderungskommunikation ist, setzt die motivierende Gesprächsführung auf Empathie, Autonomie und die Förderung intrinsischer Motivation.
Sie ist weit verbreitet, hat sich aber als wenig wirksam erwiesen, insbesondere bei Personen mit geringer Veränderungsmotivation.
Nachfolgend habe ich eine Tabelle zusammengestellt, um die Unterschiede zu verdeutlichen.
Aspekt | Traditionelle Ansätze | Motivierende Gesprächsführung |
---|---|---|
Kommunikationsstil und Gesprächsführungstechniken | Neigen dazu, direktiv und konfrontativ zu sein mit dem Ziel, Mitarbeiter*innen, Kunden oder Lieferanten von der Notwendigkeit einer Veränderung zu überzeugen. | Setzt auf einen partnerschaftlichen und menschenzentrierten Kommunikationsstil, der die Autonomie und Eigenverantwortung des Gegenübers respektiert. Die Anwendung der OARS-Technik schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zusammenarbeit. |
Umgang mit Widerstand und Ambivalenz | Betrachten Widerstand oft als Hindernis, das es zu überwinden gilt, und reagieren mit Argumentation oder Druck. | Sieht Widerstand als natürlichen Teil des Veränderungsprozesses und als Ausdruck von Ambivalenz oder Unsicherheit. Nutzt empathisches Zuhören, Reflexion und das Anbieten alternativer Perspektiven, um Widerstand konstruktiv zu nutzen und die Veränderungsbereitschaft zu stärken. |
Zielsetzung und Lösungsorientierung | Geben oft Ziele und Lösungen vor, die die Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen umsetzen sollen. | Unterstützt die Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen dabei, eigene Ziele zu entwickeln und individuelle Lösungswege zu finden. Fokussiert auf Stärken, Ressourcen und bisherige Erfolge, um die Selbstwirksamkeit und das Vertrauen in die eigene Veränderungsfähigkeit zu fördern. |
Anwendungsbereiche und Effektivität | Sie ist weit verbreitet, hat sich aber als wenig wirksam erwiesen, insbesondere bei Personen mit geringer Veränderungsmotivation. | Hat sich in verschiedenen Bereichen wie Suchtberatung, Gesundheitscoaching, Psychotherapie und Mitarbeiterführung als sehr wirksam erwiesen. Führt zu höheren Erfolgsraten, stärkerer Bindung und nachhaltigeren Verhaltensänderungen als herkömmliche Methoden. |
Integration in Leadership und Organisationsentwicklung | Hierarchie, Kontrolle und extrinsische Motivationsfaktoren wie Belohnung und Bestrafung stehen häufig im Vordergrund. | Befähigt Führungskräfte, eine Kultur der Wertschätzung, des Vertrauens und der Eigenverantwortung zu schaffen. Unterstützt Veränderungsprozesse durch aktive Einbindung der Mitarbeiter, konstruktive Nutzung von Widerständen und Schaffung positiver Veränderungsenergie. |
OARS-Technik der motivierenden Gesprächsführung nach Miller und Rollnick
An dieser Stelle wird es spannend. Hier geht es darum, sich bewusst zu machen, dass die motivierende Gesprächsführung nicht allein durch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung erlernt werden kann, sondern dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt, der stark von der eigenen Haltung bestimmt wird, verschiedene Phasen durchläuft und den Einsatz verschiedener Techniken erfordert, um effektiv angewendet zu werden.
OARS-Technik als Grundhaltung der motivierenden Gesprächsführung
Die OARS-Technik (Open Questions, Affirmations, Reflective Listening, Summaries) sollte während des gesamten Interviews angewendet werden. Dies ist aus folgenden Gründen wichtig:
Open Questions: Sie fördern den Gesprächsfluss und ermöglichen es dem Gesprächspartner, sich ausführlicher zu äußern. Offene Fragen regen den Gesprächspartner dazu an, mehr von sich preiszugeben und sich mit seiner Situation auseinanderzusetzen.
Affirmations: Durch Wertschätzung und Anerkennung (Affirmationen) fühlt sich unser*e Gesprächspartner*in verstanden und respektiert. Das stärkt die Beziehung und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens, in der sich Menschen vertrauensvoll öffnen können.
Reflective Listening: Aktives Zuhören und Spiegeln (Reflective Listening) signalisiert dem/der Gesprächspartner*in, dass wir aufmerksam und ehrlich interessiert sind. Jeder Mensch möchte gesehen und gehört werden. Wichtig ist, dass es sich um ehrliches Interesse handelt, denn unbewusst stößt geheucheltes Interesse immer auf Widerstand und Misstrauen.
Summaries: ZZusammenfassungen (Summaries) strukturieren das Gespräch, heben wichtige Punkte hervor und zeigen dem Gesprächspartner, dass seine Aussagen wahrgenommen und verstanden wurden. Zusammenfassungen sind auch ein wichtiges Instrument, um Ambivalenzen und Widersprüche im Gesprächsverlauf deutlich zu machen.
Im Grunde ist die OARS-Technik nichts anderes als eine Haltung, die von ehrlichem Interesse geprägt ist. Durchschnittlich eine von zehn Personen in meinen Trainings bringt diese Haltung „von Natur aus“ mit. Mit allen Teilnehmer*innen beschäftigen wir uns daher erst einmal mit bestimmten Übungen der wertschätzenden Kommunikation, um diese Grundhaltung zu erlangen.
Kommen wir nun zu den Schritten bzw. Phasen der motivierenden Gesprächsführung.
Schritte und Phasen der motivierenden Gesprächsführung
Wie bereits erwähnt, lässt sich ein Gespräch nicht in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung zusammenfassen. Gespräche sind dynamisch und können schnell in ungewollte Richtungen abdriften. Die folgenden Schritte sind ein Anfang, um eine gewisse Struktur zu erhalten. Sie sollten auch als Phasen betrachtet werden, die sich abwechseln und vermischen können. Die folgenden Schritte und Phasen gehören zu den Grundelementen des MI-Ansatzes:
Schritt 1: Empathie ausdrücken
Der Ausdruck von Verständnis und Empathie führt dazu, dass unser Gegenüber seinen metaphorischen Panzer fallen lassen kann. Wenn wir uns verstanden und sicher fühlen (siehe auch Psychologische Sicherheit), können wir auch offen über das sprechen, was uns wirklich bewegt.
Empathie in Aktion
- Zeigen Sie Verständnis und Wertschätzung für die Perspektive und die Gefühle der anderen Person.
- Praktizieren Sie aktives Zuhören und spiegeln Sie das Gesagte, um Ihr Verständnis zu verdeutlichen.
- Schaffen Sie durch eine wertschätzende Haltung eine Atmosphäre der Akzeptanz und des Vertrauens,
Schritt 2: Diskrepanz entwickeln
Im zweiten Schritt „Diskrepanz entwickeln“ geht es darum, dem Gesprächspartner zu helfen, den Widerspruch zwischen seinem aktuellen Verhalten und seinen eigentlichen Werten und Zielen zu erkennen. Durch gezielte offene Fragen können wir unser Gegenüber dazu anregen, selbst Argumente für eine Veränderung zu formulieren und so seine Motivation zur Verhaltensänderung stärken.
Diskrepanz entwickln in Aktion
- Dem Gesprächspartner helfen, den Unterschied zwischen seinem aktuellen Verhalten und seinen Werten oder Zielen zu erkennen. Dies wird durch offene Fragen erreicht.
- Stellen Sie offene Fragen, die den Klienten zum Nachdenken anregen und seine Motivation zur Veränderung stärken.
- Verwenden Sie die Entscheidungswaage, um die Vor- und Nachteile des aktuellen Verhaltens zu erkunden.
Schritt 3: Widerstand umlenken
Im dritten Schritt „Widerstand umlenken“ geht es darum, Widerstand nicht als Hindernis zu sehen, sondern als wichtige Information über die Sichtweise und Bedürfnisse des Gesprächspartners. Anstatt mit Argumenten oder Druck zu reagieren, was den Widerstand meist nur verstärkt, ist es wichtig, die Perspektive des Gegenübers wertzuschätzen, alternative Sichtweisen anzubieten und so die Energie des Widerstandes in Richtung Veränderung zu lenken.
Widerstand umlenken in Aktion
- Betrachten Sie Widerstand nicht als Hindernis, sondern als Signal, Ihre Strategie anzupassen.
- Vermeiden Sie Argumentation (ich weiß, dass das schwierig ist) und Konfrontation, die den Widerstand nur verstärken.
- Lenken Sie die Energie des Widerstandes in Richtung Veränderung und Potenziale, indem Sie die Perspektive des anderen wertschätzen und alternative Sichtweisen anbieten.
Schritt 4: Selbstwirksamkeit fördern
Im vierten Schritt „Selbstwirksamkeit fördern“ geht es darum, das Vertrauen des Kommunikationspartners in seine eigenen Fähigkeiten und Ressourcen zu stärken. Indem wir die bisherigen Erfolge und Stärken unserer Mitarbeiter*in hervorheben und sie ermutigen, sich kleine, erreichbare Ziele zu setzen und Fortschritte zu feiern, unterstützen wir sie dabei, ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und Zuversicht aufzubauen, das für den Veränderungsprozess entscheidend ist.
Selbstwirksamkeit fördern in Aktion
- Förderung der Selbstwirksamkeit
- Das Vertrauen des Gegenübers in seine Fähigkeit, Veränderungen erfolgreich umzusetzen, stärken.
- Hervorhebung früherer Erfolge und Stärken, die als Ressourcen dienen können
Ermutigen Sie die Person, sich kleine, erreichbare Ziele zu setzen und Fortschritte zu feiern.
Schritt 5: Change Talk hervorrufen
Im fünften Schritt, dem „Change Talk“, konzentriert sich der/die MI-Praktiker*in darauf, Äußerungen des/der Mitarbeiter*in zu identifizieren und zu fördern, die auf eine Bereitschaft, Fähigkeit oder Verpflichtung zur Veränderung hindeuten. Durch offene Fragen, wie z.B. „Was lässt Sie glauben, dass eine Veränderung möglich ist?“, wird das Reflektierte gefestigt und verstärkt.
Solche Aussagen helfen, die innere Motivation zu erkennen und zu stärken, die im Prozess der Verhaltensänderung eine entscheidende Rolle spielt.
Change Talk hervorrufen in Aktion
- Achten Sie auf Äußerungen, die eine Bereitschaft, Fähigkeit oder ein Commitment zur Veränderung signalisieren (Change Talk)
- Stellen Sie offene Fragen, die Veränderung hervorlocken, wie „Besteht die Möglichkeit xy zu verändern?“
- Die Signale des Change Talk reflektieren und verstärken, um die innere Motivation des Klienten zu stärken. Wenn unser Gegenüber selbst die Möglichkeit einer Veränderung artikuliert, erhöhen wir seine Veränderungsbereitschaft durch weitere gezielte Fragen.
Schritt 6: Zusammenfassen und Planen
Im sechsten Schritt des MI, „Zusammenfassen und Planen“, geht es darum, die wichtigsten Inhalte und Fortschritte des Gesprächs zu konsolidieren und in konkrete Aktionspläne umzusetzen. Dieser Schritt hilft unseren Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen, die diskutierten Veränderungen und Ziele klar zu sehen und unterstützt sie dabei, kleine, realistische Schritte zur Umsetzung dieser Ziele zu definieren.
Zusammenfassen und Planen in Aktion
- Fassen Sie regelmäßig die wichtigsten Punkte des Gesprächs zusammen, insbesondere den Change Talk.
- Unterstützen Sie die Person bei der Entwicklung eines konkreten Veränderungsplans.
- Vereinbaren Sie kleine, erreichbare Schritte und fragen Sie, wie Sie helfen können, die Ziele zu erreichen.
Faktoren für eine wirksame Veränderung
MI ist kein Allheilmittel und kann nur ein guter Ansatz sein, um Veränderungen herbeizuführen. Dennoch gibt es zwei Faktoren, die die Wirksamkeit und damit die Bereitschaft zur Veränderung stark beeinflussen.
Diese beiden Faktoren, die wir bei unseren Gesprächspartner*innen heraushören können, sind:
- die Wichtigkeit der Veränderung und
- die eigene Zuversicht, diese Veränderung schaffen zu können (Selbstwirksamkeit).
Bereitschaft für Veränderung: Wichtigkeit
Je wichtiger uns etwas ist, desto mehr setzen wir uns dafür ein. Das liegt daran, dass die Motivation, Veränderungen voranzutreiben, eng mit der Bedeutung zusammenhängt, die wir einem Ziel oder Vorhaben beimessen.
Wenn uns etwas am Herzen liegt, sind wir in der Regel auch bereit, Energie, Zeit und Ressourcen zu investieren, um die notwendigen Anpassungen herbeizuführen oder zu bewältigen. Diese Bereitschaft zeigt oft unsere Motivation und unser Engagement.
Die Bereitschaft, Veränderungen zu akzeptieren, wächst mit dem Erkennen eines klaren Nutzens oder einer positiven Auswirkung der Veränderung. Dies kann ein persönlicher Vorteil oder ein Beitrag zu einem übergeordneten Ziel sein.
Bereitschaft für Veränderung: Zuversicht
Wenn wir das Gefühl haben, etwas nicht tun zu können, werden wir es auch nicht tun. Angst und Lethargie breiten sich aus und wir werden bewusst oder unbewusst alles tun, um die Veränderung zu vermeiden. Ziel des Gesprächs ist es daher, die Selbstwirksamkeit aktiv zu erhöhen. Wir stärken das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, eine bestimmte Aufgabe zu bewältigen und erfolgreich abzuschließen.
Motivierenden Gesprächsführung Beispiele
In diesem Abschnitt gebe ich Beispiele, wie Kongruenz hergestellt werden kann, eine akzeptierende Haltung eingenommen wird und wie Evokation in Verbindung mit Planung umgesetzt werden kann. Dazu wähle ich 3 der 14 wichtigsten Führungsinstrumente als Beispiele aus.
- Motivationsgespräch
- Kritikgespräch
- Konfliktgespräch
Fallbeispiel 1: Motivationsgespräch in einem Start-up
Situation: In einem dynamischen Start-up-Unternehmen stellt die Geschäftsführerin fest, dass einer ihrer Entwickler, Tom, trotz seines früheren Enthusiasmus für die Projekte zunehmend demotiviert wirkt. Seine Pünktlichkeit lässt nach und die Qualität seiner Arbeit hat merklich nachgelassen.
Vorgehen:
Empathie ausdrücken (Schritt 1): Die Geschäftsführerin beginnt das Gespräch mit einer Anerkennung von Toms bisherigen Erfolgen und betont, wie wichtig er für das Team ist. Sie fragt ihn in einer offenen und nicht wertenden Art und Weise, wie er sich derzeit bei der Arbeit fühlt (OARS-Technik: Open Questions).
Diskrepanz entwickeln (Schritt 2): Sie führt das Gespräch so, dass Tom selbst erkennt, wie seine derzeitige Situation seinen eigenen beruflichen Zielen widerspricht. Durch gezielte Fragen hilft sie ihm, seine eigene Unzufriedenheit zu artikulieren und motiviert ihn, über mögliche Lösungen nachzudenken (OARS-Technik: Reflective Listening).
Widerstand umlenken (Schritt 3): Als Tom zögert und Ausreden findet, warum alles so bleiben soll, wie es ist, spiegelt sie seine Bedenken empathisch, ohne ihn zu konfrontieren. Sie bietet alternative Sichtweisen an und betont die positiven Aspekte einer Verhaltensänderung (OARS-Technik: Affirmationen / Steigerung der Selbstwirksamkeit).
Ergebnis: Tom fühlt sich verstanden und respektiert. Er erkennt, dass Veränderungen notwendig sind, um seine Ziele zu erreichen, und verpflichtet sich zu einem detaillierten Plan, um seine Leistung zu verbessern. Die Geschäftsführerin ist erfreut und bietet ihm an, regelmäßig über seine Entwicklung zu sprechen.
Fallbeispiel 2: Kritikgespräch in einem mittelständischen Unternehmen
Situation: In einem mittelständischen Unternehmen stellt die Abteilungsleiterin Anne ihren Mitarbeiter Klaus wegen wiederholter Verspätungen und nachlassender Arbeitsqualität zur Rede.
Vorgehen:
Empathie ausdrücken (Schritt 1): Anne beginnt das Gespräch, indem sie Klaus für seine bisherigen Beiträge zum Team dankt und seine Stärken hervorhebt. Sie zeigt Verständnis für mögliche externe Stressfaktoren, die seine Leistung beeinflussen könnten (OARS-Technik: Affirmationen).
Change Talk hervorlocken (Schritt 5): Durch offene Fragen regt sie Klaus an, über seine eigenen Gründe für eine Verhaltensänderung nachzudenken. Sie achtet auf Äußerungen, die auf eine Veränderungsbereitschaft hindeuten und verstärkt diese (OARS-Technik: Open Questions und Reflective Listening).
Selbstwirksamkeit fördern (Schritt 4): Anne bespricht mit Klaus, wie er seine Pünktlichkeit und die Qualität seiner Arbeit verbessern kann und erinnert ihn an frühere Situationen, in denen er Herausforderungen erfolgreich gemeistert hat. Gemeinsam vereinbaren sie kleine, erreichbare Ziele (OARS-Technik: Summaries).
Ergebnis: Klaus fühlt sich motiviert und in der Lage, seine Leistung zu verbessern. Er verlässt das Gespräch mit einem klaren Verständnis der Erwartungen und einem gestärkten Vertrauen in seine Fähigkeiten.
Fallbeispiel 3: Konfliktgespräch in einem Projektteam
Situation: In einem Projektteam gibt es Spannungen zwischen zwei Teammitgliedern, Anna und Jan, die unterschiedliche Ansichten über die Richtung des Projekts haben.
Vorgehen:
Partnerschaftlichkeit fördern (Geist von MI): Der Teamleiter organisiert ein Treffen, bei dem er beide Seiten ermutigt, ihre Perspektiven gleichberechtigt einzubringen. Er betont die Wichtigkeit jeder Meinung und fördert eine Atmosphäre der Zusammenarbeit (OARS-Technik: Open Questions).
Ambivalenz erkunden (Schritt 3): Der Teamleiter hilft beiden, die Vor- und Nachteile ihrer Positionen zu erkunden. Er wendet reflektierendes Zuhören an, um ihre Bedenken und Hoffnungen zu verstehen, und spiegelt sie zurück, um das gegenseitige Verständnis zu fördern (OARS-Technik: Reflective Listening).
Konsens und Planung (Schritt 6): Sobald ein tieferes Verständnis erreicht ist, leitet der Teamleiter eine Diskussion, um einen gemeinsamen Plan zu entwickeln. Er fasst die vereinbarten Punkte zusammen und stellt sicher, dass sich beide Seiten in der Lösung wiederfinden (OARS-Technik: Summaries).
Ergebnis: Anna und Jan erkennen, dass sie ähnliche Ziele verfolgen, aber unterschiedliche Wege sehen, diese zu erreichen. Durch die Diskussion entwickeln sie einen hybriden Ansatz, der beide Sichtweisen integriert und ihre Zusammenarbeit im Team stärkt.
Diese Beispiele veranschaulichen, wie durch den Einsatz spezifischer Techniken der motivierenden Gesprächsführung in unterschiedlichen Kontexten effektive Lösungen erzielt werden können, die sowohl die individuelle Motivation als auch das kollektive Teamziel fördern.
Ressourcen und Fortbildung in der motivierenden Gesprächsführung
Die erste Anlaufstelle, um sich nach diesem Artikel weiterzubilden und das theoretische Wissen zu vertiefen, ist das Standardwerk von Miller und Rollnick. Die 3. Auflage des Standardwerkes ist auf Deutsch bei Amazon.de und Lambertus erhältlich. Eine weitere gute Quelle ist die Internetseite des Motivational interviewing network of trainers.
Weitere Anregungen bietet die klientenzentrierte Gesprächsführung nach Rogers.
Wer von der Theorie in die Praxis will, für den ist die Deutsche Psychologen Akademie eine gute Anlaufstelle. Wer sich speziell im Kontext der eigenen Führungskompetenz stärken möchte, dem seien meine eigenen Kommunikationstrainings empfohlen.
Ralf Demmel als deutscher vorreiter der motivierenden Gesprächsführung
Ralf Demmel hat sich als ein deutscher Vorreiter der motivierenden Gesprächsführung (MI) etabliert, indem er durch sein Arbeitsbuch motivierende Gesprächsführung eine wichtige Ressource für Fachleute in diesem Bereich bereitstellte. Dieses Buch enthält nicht nur die komplette Übersetzung der amerikanischen Ausgabe, sondern auch spezifische Anpassungen und Erweiterungen, die auf den deutschsprachigen Raum zugeschnitten sind. Durch seine Arbeit wurden die zentralen Wirkfaktoren der motivierenden Gesprächsführung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.
Demmel hat essentielle Erkenntnisse zu MI-Basiselementen zusammengetragen und vermittelt, wie diese in der Praxis effektiv eingesetzt werden können. Seine Beiträge haben dazu geführt, dass die motivierende Gesprächsführung in Deutschland vermehrt Anerkennung findet und als wirksames Instrument in verschiedenen Bereichen, wie der Suchtberatung, Gesundheitsförderung und in der psychotherapeutischen Praxis, eingesetzt wird. Das Arbeitsbuch dient dabei als unverzichtbares Hilfsmittel, das Fachkräfte (Psychologen) bei der Erlernung und Anwendung von MI unterstützt, und unterstreicht die Bedeutung von Empathie, Respekt und Authentizität im therapeutischen Gespräch.
Fazit: Techniken der motivierenden gesprächsführung
Die Kunst der motivierenden Gesprächsführung ist ein mächtiges Werkzeug, das weit über die Grenzen herkömmlicher Kommunikation hinausgeht. Es ist eine Methode, die nicht nur in der Arbeitswelt positive Veränderungen bewirken kann, sondern auch im privaten Umfeld tiefgreifende Auswirkungen hat.
Durch die Betonung von Einfühlungsvermögen, Akzeptanz und der Fähigkeit, Ambivalenzen zu erforschen und zu nutzen, ermöglicht es uns, echte Verbindungen zu anderen aufzubauen und gemeinsam Lösungen zu finden, die sowohl individuelle als auch kollektive Ziele unterstützen.
MI zeigt uns, dass nachhaltige Veränderung nicht durch Druck oder Manipulation erreicht wird, sondern durch das Verstehen und Stärken der intrinsischen Motivation jedes Einzelnen. Die Vorteile einer Veränderung müssen gemeinsam erarbeitet werden.
Dieser Ansatz erfordert eine tiefgreifende Reflexion des eigenen Kommunikationsverhaltens und die Bereitschaft, sich empathischer und wertschätzender einzubringen. Für Führungskräfte, Teams und Einzelpersonen, die ihre Kommunikationsfähigkeiten auf eine neue Ebene heben wollen, bietet die motivierende Gesprächsführung eine solide Grundlage.
Es ist nicht nur eine Technik, sondern eine Haltung, die das Potenzial hat, unsere Beziehungen und unsere Arbeitsweise grundlegend zu verändern.
Wenn Sie bereit sind, die Art und Weise, wie Sie kommunizieren, zu verändern und eine tiefere Verbindung zu Ihren Mitarbeitern, Kollegen und Kunden aufzubauen, könnte ein Kommunikationstraining der Schlüssel dazu sein.